Magengeschwüre sind beim Pferd zur Volkskrankheit geworden. Beinahe in jedem Stall findet sich ein Pferd mit Magenproblem. Doch woran liegt das?
Um zu erklären, weshalb so viele Pferde Magengeschwüre haben, müssen wir uns an erster Stelle mit der Anatomie des Pferdes befassen. Pferde haben einen relativ kleinen Magen. Mit einem Fassungsvermögen von nur etwa 8-15l ist der Magen im Vergleich zur Körpermasse des Pferdes nur für kleine Futtermengen aufnahmefähig. Das Pferd ist ein Dauerfresser – In der freien Wildbahn verbringt das Pferd den Großteil des Tages mit der Suche und Aufnahme von Futter. Dabei werden kontinuierlich nur kleine Mengen an Futter aufgenommen.
Der Gegensatz zur Fütterung in den Ställen
In vielen Reitställen wird leider dem Raufutter zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Oftmals bekommen die Pferde nur 2x am Tag kleine Portionen Heu. Für den Dauerfresser Pferd viel zu wenig. Weitaus problematischer als die Menge an Heu, sind die Futterpausen, die durch zu wenig Raufutter entstehen. Im Gegensatz zu uns Menschen produziert das Pferd als Dauerfresser durchgehend Magensäure, egal ob es etwas gefressen hat oder nicht. Diese dann ungenutzte Magensäure kann im oberen vor Magensäure ungeschützen Bereich zu Magengeschwüren führen.
Deshalb ist das Raufutter so wichtig!
Beim Kauen von Raufutter wird im Vergleich zum Kraftfutter viel mehr Speichel produziert. Der Speichel hat eine Art „Pufferwirkung“ auf die Magensäure. Wird also zu wenig Raufutter gefressen oder sind die Zeiten zwischen den Mahlzeiten einfach zu lang, entsteht eine Übersäuerung im Pferdemagen, die große Probleme bereiten kann. Stellen Sie also sicher, dass Ihrem Pferd immer genügend Raufutter zur freien Verfügung steht. Achten Sie allerdings gleichzeitig darauf, dass Ihr Pferd nicht zu dick wird, denn auch das ist sehr schädlich.
Wie erkenne ich Magengeschwüre bei meinem Pferd?
Die Symptome bei Pferden mit Magengeschwüren sind sehr vielfältig. Beispiele dafür können sein:
- Fressunlust
- Koliken
- Gurt- oder Sattelzwang
- Häufiges Gähnen
- Leerkauen
- Zähneknirschen
- Sand oder Erde fressen
- Rittigkeitsprobleme
- Aggressives Verhalten
Nicht selten zeigen betroffene Pferde aber auch keinerlei Auffälligkeiten... Seien Sie aufmerksam und nehmen Sie auch leichte Symptome nicht auf die leichte Schulter. Wenn Ihre Vermutung auf Magengeschwüre fällt, zögern Sie nicht, Ihren Tierarzt zu kontaktieren. Er kann mit einer Gastroskopie für Sicherheit sorgen.
Was passiert bei der Gastroskopie?
Da nahezu alle der genannten Symptome aber auch andere Ursachen haben können, ist eine korrekte Diagnostik unerlässlich. Eine sichere Diagnose lässt sich nur mittels Gastroskopie stellen. Bei der Gastroskopie wird dem Pferd ein langer Schlauch mit einer Kamera, die bis in den Magen reicht, durch die Nase in den Verdauungstrakt eingeführt. Damit die Magenschleimhaut ausreichend begutachtet werden kann, wird das Pferd für die Untersuchung sediert und die Pferde müssen im Vorfeld „hungern“, damit der Magen während der Untersuchung leer ist.
Die meisten Gastroskopien werden in einer Pferdeklinik durchgeführt. Es gibt jedoch auch einige Fahrpraxen, die eine Gastroskopie mit einem mobilen Gerät vor Ort durchführen können.
Wie ist der Magen aufgebaut?
Der Magen eines Pferdes besteht aus 2 Teilen. Dem "oberen" drüsenlosen und dem "unteren" drüsenhaltigen Teil. Der Mageneingang liegt im drüsenlosen Teil, der Magenausgang im drüsenhaltigen Teil. Beide Teile sind durch eine Grenzlinie getrennt, die Margo plicatus (s. Foto). Der drüsenhaltige Teil ist von einer dicken Schleimschicht (Mucosa) überzogen. Dadurch ist die Schleimhaut geschützt vor der aggressiven Magensäure.
Verschiedene Formen von Magengeschwüren
Magengeschwüre im drüsenlosen Teil
Der drüsenlose Teil des Magens ist leider nicht gut vor der Magensäure geschützt und daher anfällig für Fütterungsfehler. Durch lange Fresspausen oder zu große Kraftfuttermengen kann es zu einem Überschuss an Magensäure kommen und die empfindliche drüsenlose Schleimhaut kommt mit Magensäure in Kontakt und wird angegriffen. Natürlich können auch Medikamente oder Vergiftungen Magenprobleme auslösen.
Einige Zeit lang waren nur die Magengeschwüre im drüsenlosen Teil bekannt. Diese sind bereits recht gut erforscht und die Ursachen durch einige Studien belegt. Das liegt vor allem daran, dass die Endoskope, die für eine Magenspiegelung genutzt wurden, früher nur ca. 3m lang waren. Damit konnte der drüsenlose Teil des Magens sehr gut betrachtet werden. Seitdem es allerdings längere Endoskope gibt (ca. 3,7m Länge) wurde festgestellt, dass Magengeschwüre auch im drüsenhaltigen Teil des Magens zu finden sind.
Woher kommen die Magengeschwüre im drüsenhaltigen Teil des Magens?
Ursachen in der Fütterung
Die Ursachen für Magengeschwüre im drüsenhaltigen Teil des Magens können vielfältig sein. Eine Ursache für Magengeschwüre am Magenausgang (Pylorus) kann falsches Futter sein. Studien zeigen beispielsweise, dass die Fütterung von Luzernehäckseln, zumindest bei Absetzern, die Magengesundheit verschlechtern kann.[1],[2] Die Ursache dafür ist noch nicht genau bekannt. Vermutet wird der höhere Gehalt an Salicylsäure in der Luzerne oder aber die mechanische Reizung durch die Häcksel. Besonders bei älteren Pferden sind aber noch weitere Untersuchungen vonnöten.
Stress als Ursache
Bei den meisten Pferden wird unter anderem Stress als Ursache für Magenprobleme vermutet. Hier muss jedes Pferd genau betrachtet werden, denn die Auslöser für Stress können vielfältig sein. Sowohl der falsche Boxennachbar, als auch Haltungs- und/oder Trainingsbedingungen, das generelle Temperament, ein Transport oder aber auch Schmerzen können beim Pferd Stress und Magenprobleme auslösen.[3] Da Pferde was das angeht allerdings sehr individuell sind, gibt es kein Allgemeinrezept für eine stressfreie Haltung. Das eine Pferd mag sich in einer Box wohler fühlen, wenngleich das andere Pferd als Outdoorfreak im Offenstall am glücklichsten ist.
Was kann man tun?
Leidet ein Pferd an Magenerkrankungen, ist das richtige Management gefragt. Neben der Überprüfung der Haltungsbedingungen (Stichwort: Stressreduktion) sollte auch die Fütterung überprüft werden. Pferde mit Magengeschwüren sollen idealerweise getreidefrei gefüttert werden. Außerdem ist auf eine ausreichende Versorgung mit Raufutter zu achten. Wir empfehlen mind. 1,5kg Heu pro 100kg Sollkörpergewicht und Tag. Die Fresspausen sollten nicht länger als 4 Stunden andauern, um eine Übersäuerung zu vermeiden.
Kleine Helfer können unterstützen
Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung können auch Ergänzungsfuttermittel helfen, die die aggressive Magensäure puffern. Hier eignen sich beispielsweise Futtermittel mit Kalziumkarbonat und Magnesiumoxid. Magnesium sorgt außerdem für mehr Ruhe und Gelassenheit, was besonders bei nervösen und temperamentvollen Pferden nützlich sein kann. Zudem können Inhaltsstoffe wie Pektine oder Natriumalginate helfen die empfindliche Magenschleimhaut zu schützen. In Verbindung mit der Magensäure bildet sich eine Art Gel, welches den Magen schützend auskleidet. Die „Mucosa“ wird so unterstützt und die natürlich Barrierefunktion verbessert.
Da außerdem das Darmmikrobiom, also die gesunden Bakterien im Darm, durch die Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, sollte die Darmgesundheit nicht außer Acht gelassen werden. Probiotika können hier helfen, den Darm wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
[1] Fedtke et al. (2015) Effects of feeding different roughage-based diets on gastric mucosa after weaning in warmblood foals, Pferdeheilkunde 31 (2015) 6, S. 596-602
[2] Vondran et al. (2016) Effects of two alfalfa preparations with different particle sizes on the gastric mucosa in weanlings: alfalfa chaff versus alfalfa pellets. BMC Vet Res. 2016 Jun 14;12(1):110.
[3] Webinar in Zusammenarbeit mit FS animal health: Dr. Monica Venner (2022) Magenerkrankungen beim Pferd: Es gibt viel Neues!